Über die Zukunft der Niedtalbahn und des Niedtalexpress wird seit vielen Jahren in zahlreichen Beiträgen spekuliert. Dabei konzentrieren sich die Spekulationen vorwiegend auf einen möglichen Personenverkehr im Zuge der Schaffung einer Personenverkehrsverbindung zwischen Saarbrücken und Luxembourg auf der Schiene. Diese Relation wird bislang durch einen Omnibus bedient. Um einen Ausblick auf eine mögliche Zukunft der Niedtalbahn geben zu können ist nicht nur ein Blick auf die vorhandene Sicherungstechnik, sondern auch den möglichen Fahrzeugeinsatz sowie die denkbaren Verkehrsleitungen im Personen- wie auch im Güterverkehr zu werfen.
Sicherungstechnik
Die Technik des Stellwerks des Bahnhofs Hemmersdorf (Saar) gilt als veraltet. Auch stellt sich die Frage, wie mit der von französischer Seite als schwierig beschriebenen Besetzung des Stellwerks im Bahnhof Bouzonville umgegangen werden kann. Eine Möglichkeit bietet die Einbindung der Strecke einschließlich des Bahnhofs Bouzonville – jedenfalls soweit es den Eisenbahnbetrieb über die Niedtalstrecke betrifft – in das ESTW Dillingen (Saar), dessen Bedienplatz in der Betriebszentrale in Karlsruhe angeordnet sein soll. Eine solche Einbindung stellt sich vor dem Hintergrund des Standes der Technik und unter personalwirtschaftlichen Gesichtspunkten als praktisch alternativlos dar. Würde auf eine Einbindung verzichtet, erhielte der Bahnhof Hemmersdorf (Saar) eine mit hohen Aufwänden verbundene Sonderstellung.
Personenverkehr
Bereits in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Niedtalbahn wurden vier Hypothesen vorgestellt, die sämtlich auf die Einrichtung von Schienenpersonenverkehren zwischen Saarbrücken Hauptbahnhof und Luxembourg Gare Central abzielen. Auch die Plattform Mobilität hat die damals als vierte Hypothese vorgestellte Variante eines schnellen Regionalverkehrs zwischen Saarbrücken und Luxembourg über Forbach, Béning, Falck, Téterchen, Bouzonville, Anzeling, Hombourg-Boudange, Metzervisse, Thionville, Hettange Grande, und Bettembourg aufgegriffen. Dieses Aufgreifen gründet unter anderem auf der auf der Internetseite des Verkehrsclub Deutschland, Landesverband Saarland, veröffentlichten Bachelorthesis „Wiederaufnahme eines grenzüberschreitenden Schienenverkehrs über die Niedtalbahn“ von Julian Leyes (Hochschule Kaiserslautern, 2021, abgerufen am 9. August 2022).
Der Niedtalexpress könnte seinen Laufweg über die Primstalbahn nach Lebach verlängern und hierdurch Zubringerdienste für die Menschen der Gemeinden Schmelz, Nalbach, Dillingen, Rehlingen-Siersburg, Wallerfangen und Merzig sowie das Kanton Bouzonville sowohl für die Züge der Saarstrecke – Strecke Nr. 3230 -, vor allem die RegionalExpress zwischen Koblenz, Trier und Saarbrücken, Kaiserslautern sowie Mannheim übernehmen, als auch für eine neu einzurichtende Linie von „SaarLorLux-Expresszügen“ zwischen Saarbrücken und Luxembourg über Forbach über die Strecken Nr. 172000, 159000, 177000 (FR) und 6 (LU). Das hier lediglich knapp aufgegriffe Potenzial wurde bereits 2014 in einer Dissertation von Werner Matthias Ried „Infrastruktur und Entwicklungspotenzial der Eisenbahn im SaarLorLux-Raum“ (Universität Trier, 2014, abgerufen am 9. August 2022) ausführlich herausgearbeitet und vorgestellt (S. 189 ff.).
Geeignete Fahrzeuge, die eine Elektrifizierung des durch das Niedtal verlaufenden Streckenabschnitts nicht erforderlich erscheinen lassen, stehen unter anderem mit den Corradia Polyvalent-Triebwagen der Baureihe B 84500 zur Verfügung. Bemerkenswert ist hierbei, dass diese neuen Fahrzeuge über eine Zulassung für das deutsche wie auch das französische Streckennetz verfügen, da sie mit den jeweiligen Zugsicherungssystemen ausgestattet sind. Die Fahrzeuge sind zudem mehrsystemfähig und können nicht elektrifizierte Abschnitte mit Hilfe eines Dieselmotors befahren.
Allerdings sehen die Planungen für die ab Dezember 2024 durchzuführenden Verkehre noch keinen Einsatz dieser Züge auf der Niedtalbahn, sondern lediglich zwischen Saarbrücken und Metz via Forbach sowie Trier und Metz via Apach vor. Immerhin sollen nach einem Bericht der Plattform Mobilität vom Dezember 2021 die Dieseltriebwagen auch auf der Niedtalbahn künftig durch batteriehybride Fahrzeuge vom Typ „FLIRT AKKU“ des Herstellers Stadler ersetzt werden. Zum Einsatz kommen werden voraussichtlich die von DB Regio bestellten zweiteiligen Triebwageneinheiten, wie Stadler in einer auf seiner Internetseite abrufbaren Meldung angibt, in der jedoch die Niedtalbahn nicht explizit aufgeführt wird. Ein Laden der Akkus ist nach ca. 150 km Fahrstrecke erforderlich und unter der Oberleitung im Bahnhof Dillingen (Saar) möglich.
Damit würde im Personenverkehr auf der Niedtalbahn von der grundsätzlichen batterie-elektrischen Antriebstechnik her betrachtet alles auf Anfang zurückgestellt, denn bereits bei der Betriebsaufnahme kamen Akkumulator-Triebwagen zum Einsatz, die nach einem Laufweg von rund 100 km im Bahnhof von Dillingen (Saar) wieder aufgeladen wurden (s. „Personenverkehr“ auf dieser Website).
Güterverkehr
Aber auch im Güterverkehr ergeben sich Zukunftsperspektiven für die Niedtalbahn. So hat etwa das Unternehmen BahnLog angegeben, im Bahnhof Bouzonville ein Containerterminal errichten und betreiben zu wollen, das über die Niedtalbahn ver- und entsorgt werden soll. Auch für diese Verkehre stehen mit den bereits heute vor den Kalkzügen im Einsatz befindlichen diesel-elektrischen Lokomotiven des Herstellers Vossloh aus der 4000er-Reihe geeignete Triebfahrzeuge zur Verfügung.
In der jüngeren Vergangenheit fanden mit Lokomotiven des Eisenbahn-Verkehrsunternehmens Europorte mehrfach Fahrten über die Niedtalbahn statt. Zum Einsatz kamen dabei die Baureihen DE18 (im YouTube-Video festgehalten) und 4000 (Bericht aus der Saarbrücker Zeitung auf der Seite der Plattform Mobilität). Darüber hinaus stehen auch für den Güterverkehr hybride Antriebsmodelle bereit. Eine entsprechende Lokomotive hat z.B. der Hersteller Stadler mit der EuroDual in seinem Fahrzeugangebot.
Würde der Güterverkehr über die Niedtalbahn wieder aufgenommen, wäre eine Sperrung der Strecke zwischen Saarbrücken und Forbach kein Horror-Szenario mehr, denn mit der Niedtalbahn stünde eine Ausweichstrecke zur Verfügung, wenngleich eine entsprechende Triebfahrzeugvorsorge getroffen werden müsste, um den nichtelektrifizierten Streckenteil überwinden zu können. Ferner könnten die heute bereits mit diesel-elektrischen Lokomotiven der Baureihen DE18 und 4000 bespannten Züge – vor allem die Kalkzüge zur Dillinger Hütte – von der stark belegten Saarstrecke auf die Niedtalbahn verlegt werden. Verspätungen im Personennahverkehr durch einen Ressourcen belegenden Kalkzug wie sie etwa im Frühjahr und Sommer 2022 beobachtet wurden, wären damit vermeidbar. Ein erster, wichtiger Schritt wäre die Ermöglichung einer Trassenbestellung wie im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Saarbrücken und Forbach im One-Stop-Shop-Verfahren mit einem gegenüber heute mit 60 Tagen angegebenen deutlich kürzeren Vorlauf.
In der Befassung des Landtages des Saarlandes mit den Perspektiven des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs auf Antrag der damaligen Oppositionsparteien AfD (LT-Drs. 16/443, abgerufen am 11. August 2022) und LINKE (LT-Drs. 16/457, abgerufen am 11. August 2022), hat der ehemalige Landtagspräsident Günter Heinrich (CDU) bereits 2018 ausgeführt:
„Kollege Flackus hat vorhin die Niedtal-Bahn angesprochen. Die Bahn gewinnt mittlerweile an Attraktivität, nicht nur in der Region für Europa, sondern auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Wenn die Firma Euroports die Kalkzüge von Paris zur Dillinger Hütte fährt und jetzt einen Umweg von 50 km machen muss, die CFL cargo, die die Bleche zu den Ford-Werken liefert, 70 km Umweg fahren muss, weil sie die Strecke nicht nutzen können, und – es ist vom Kollegen Flackus erwähnt worden – die Firma Bahn-Log aus Kirkel in Bouzonville ein Logistikzentrum aufbauen und diese Strecke bedienen will, dann wird deutlich, dass das eine Bahnstrecke mit Zukunft ist.“
(Plenarprotokoll 16/16 der Sitzung vom 13. Juni 2018, S. 941, abgerufen am 11. August 2022).
Dem ist von hier aus nichts hinzuzufügen.
Ausblick
Bei allem Enthusiasmus kann nicht übersehen werden, dass eine umfassende Verkehrsaufnahme im grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Schiene durch das Niedtal auch erhebliche Investitionen erfordert. Diese sind zumindest in ihrer Größenordnung recht gut erkennbar in der oben vorgestellten Bachelorthesis herausgearbeitet und vorgestellt worden. Hiernach kann festgehalten werden, dass vor allem
- die Sanierung des Brückenbauwerks über den Ihner Bach in Niedaltdorf,
- die Sanierung des Gleiskörpers auf französischer Seite auf einer Länge von ca. 5.000 Metern und
- die Einbindung der Strecke in das elektronische Stellwerk (ESTW)
sinnvolle und notwendige, aber mit ca. 20 Millionen Euro nicht gerade geringe Aufwendungen in die Ertüchtigung und den betriebssicheren Erhalt der Verkehrswegeinfrastruktur erfordern würden. Gleichwohl kann bei Zugrundelegen eines Personen- und Güterverkehr umfassenden, nicht nur die Niedtalbahn, sondern auch die Primstalbahn einschließenden Verkehrskonzepts sowie der Einrichtung einer schnellen Verbindung mit (Regional-)Expresszügen zwischen Saarbrücken Hbf und Luxembourg GC via Béning, Bouzonville, Thionville und Bettembourg kaum überzeugend in Abrede gestellt werden, dass die Existenz der Niedtalbahn als Zubringer- und Verbindungsstrecke berechtigt ist.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der vielbeschworenen Mobilitätswende bleibt zu wünschen, dass sich viele Menschen zusammenfinden, um den Schienenweg durch das Niedtal nicht nur konservieren, um ein wenig in Eisenbahnromantik schwelgen zu können, sondern ihn zu dem wieder erblühen lassen, als was er ursprünglich geschaffen wurde: einem leistungsfähigen Verkehrsweg mit einem ansprechenden Angebot für alle Menschen der Großregion. Den bisherigen Bemühungen der an der Strecke liegenden Gemeinden wie zum Beispiel der Resulution der Gemeinde Rehlingen-Siersburg aus dem Jahr 2019, der sich Dillingen (Saar), Bouzonville und Thionville angeschlossen haben (Pressebericht der Saarbrücker Zeitung, abgerufen am 11. August 2022) könnten nunmehr durchaus gerne Taten folgen.
Allerdings ist zu bedenken, dass die Kommunen es nicht in der Hand haben, die Entscheidung über die Zukunft der Bahn vor Ort selbst zu treffen. Vielmehr müssen die für den Schienenverkehr Verantwortlichen auf deutscher, französischer und luxemburgischer Seite einen Konsens finden, damit die hier beschriebenen Zukunftsperspektiven keine Utopie bleiben. Dazu dürften die Verantwortlichen es der Deutschen Bahn allerdings nicht durchgehen lassen, sich unter Verweis auf Unzulänglichkeiten auf französischer Seite und durch hausgemachte Personalnot und selbst verschuldete Zugausfälle (s. Personenverkehr) sowie der damit verbundenen sinkenden Nutzerakzeptanz sich der unliebsamen, abseits der Hauptverkehrsmagistralen gelegenen Strecke zu entledigen.